Step-by-Step

Projekttitel: Pilotprojekt zur Unterstützung von Geflüchteten in der hessischen

Erstaufnahmeeinrichtung „Michaelis Dorf“ in Darmstadt

Akronym:     Step-by-Step

Projektbeschreibung

VERNETZUNG, STRUKTUREN UND ANGEBOTE FÜR MÄDCHEN UND JUNGEN,  FRAUEN UND MÄNNER MIT FLUCHTERFAHRUNGEN

Migration und Flucht sind immer mit Aufbruch und Hoffnung auf ein besseres, sicheres (Über)leben verbunden. Mit der Flucht gehen aber auch viele Verlusterfahrungen einher. Im Rahmen des Modellprojektes STEP BY STEP werden die Menschen von Anfang an bei ihren dramatischen Erlebnissen abgeholt und ihnen eine erste Sicherheit zurück zu geben- in Mitmenschen und Umgebungen.
Deshalb hat das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) gemeinsam mit dem Sigmund-Freud-Institut (SFI) und der Johann-Wolfgang-Goethe Universität Frankfurt im Januar 2016 das Pilotprojekt in der Erstaufnahmeeinrichtung Darmstadt gestartet, um traumatisierten Asylsuchenden frühe Hilfe zu garantieren und damit kurz- und langfristige Unterstützungen und eventuelle Behandlungen einzuleiten.  Die Angebote des SFI dienen dazu – in enger Kooperation mit den Fachleuten vor Ort -, den Flüchtlingen sichere Orientierungen, einen ersten Halt und verlässliche Beziehungserfahrungen ermöglichen, um Desintegration und Re-Traumatisierungen entgegenzuwirken.

Die Einrichtung in Darmstadt, genannt das „Michaelis Dorf“, bietet den Geflüchteten Sicherheit und Schutz. Dem Gefühl der Entwurzelung, der Einsamkeit und der Unsicherheit wird aktiv entgegengewirkt. Dafür sind Alltagsstrukturen, Kontakt und Beziehungen untereinander entscheidend: Wie in einem Dorf soll ein erstes Gefühl der Gemeinschaft, eines ersten Ankommens und Aufgehoben Seins entstehen, was sich, wie viele Studien zeigen, als entscheidend für die spätere Integrationsbereitschaft der Flüchtlinge auswirkt. Und Integration ist wichtig für die ankommenden Flüchtlinge, aber genauso für die hessischen Bürgerinnen und Bürger, damit der gesellschaftliche Zusammenhalt gesichert und ein gutes Zusammenleben möglich ist.
Um das soziale Miteinander zu stärken ist das Ziel, dass jede Bewohnerin/jeder Bewohner (jeden Alters) pro Tag ein (ca. zweistündiges) Angebot erhält, in dem sie/er aktiv gefördert wird („etwas bekommt“) und weitere zwei Stunden eine Eigenaktivität entfalten kann, in dem sie/er persönlich eine Tätigkeit für das Dorf ausführt („etwas gibt“).

Das Betreuungsteam vor Ort vermittelt den Neuankommenden möglichst bald, wie wichtig für die psychische und psychosoziale Befindlichkeit und die spätere Integration eine aktive Gestaltung des Alltags in der Einrichtung ist, auch wenn die Bewohnerinnen und Bewohner nicht lange in der Ersteinrichtung bleiben möchten bzw. sollten.

Gerade für Kinder und Jugendliche ist es wichtig, dass sie auch schon die
Erstaufnahmeeinrichtung als einen kinderfreundlichen Ort erleben. Sie sollen sich dort sicher fühlen und ihre Fähigkeiten einbringen. Ein solcher Ort muss gestaltet werden, und zwar durch Bildungs- und Freizeitangebote, durch Mitgestaltungsmöglichkeiten und durch Erwachsene, die aufgeschlossen sind. Das Projekt, an dem Studierende beteiligt sind, zielt auch darauf, möglichst Studierende von sozialen Berufen und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gut für die Arbeit mit geflüchteten Kindern, Jugendlichen und Familien zu befähigen.


ZIELE DES PROJEKTS:

1.    Unterstützung der (psychosozialen) Integration von Familien, sowie die Förderung der (frühen) Entwicklung und des Wohlbefindens von Kindern
2.    Stärkung der resilienten Fähigkeiten von Kindern und Eltern
3.    Verhinderung von Rückzug aus der Dorfgemeinschaft von Familien oder einzelnen Menschen durch Förderung der Teilhabe an der Gesellschaft mit spezifischer Unterstützung der (inneren und äußeren) Verbindung zur Herkunftskultur
4.    Psychische und psychosoziale Betreuung von traumatisierten Familien mit dem Ziel der Bearbeitung von Akuttraumatisierungen und der Abmilderung der transgenerativen Weitergabe von Traumatisierungen
5.    Hilfestellungen bei der Vernetzung von psychosozialen und institutionellen Unterstützungen von Familien „at-risk“ sowohl in der Erstaufnahmeeinrichtung, wie auch nach dem Transfer in längerfristige Unterbringungen (für besonders vulnerable Familien im Raum Darmstadt).
6.    Förderung und Optimierung der Kooperationen und der Kommunikationsstruktur der im Michaelis-Dorf arbeitenden professionellen Teams und der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer
7.    Gestaltung von kinderfreundlichen Räumen in der Einrichtung, damit die Kinder und Jugendlichen sich angenommen und aufgehoben fühlen
8.    Vielfältige und anregende Angebote für Kinder und Jugendliche und Motivation zu Partizipation

ES WERDEN FOLGENDE MASSNAHMEN ZUM ERREICHEN DER ZIELE ERGRIFFEN: 

ERSTE SCHRITTE
Gruppen für Schwangere und Frauen mit Babys/Kleinkinder:
Zweistündige, wöchentliche Gruppen für Schwangere und Mütter mit Kleinkindern, in denen aktuelle Themen der frühen Elternschaft unter Migrationsbedingungen besprochen sowie Mutter-Kind-Interaktionen professionell und kultursensitiv gefördert werden.
Geeignete Frauen aus dem Kreis der Flüchtlinge werden motiviert, als „Co-Betreuerinnen“ an den Gruppen teilzunehmen („etwas geben“)

Mal- und Bastelkreise für Kinder
Kindertherapeuten besuchen Spiel- und Sprachgruppen zur Früherkennung von möglichem Förderungsbedarf. Kindern mit besonderem Bedarf wird wöchentlich eine Malgruppe angeboten, in der sie ihre erlebten belastenden oder evtl. traumatischen Erfahrungen gestalten und dadurch den professionell geschulten Mitarbeiterinnen mitteilen können. Viele Studien zeigen, dass es für die Verarbeitung von traumatischen Erfahrungen hilfreich ist, wenn die Kinder mit dem Erlebten nicht allein bleiben, sondern in einem geschützten Rahmen dosiert davon erzählen können. Aus der Gruppe der geflüchteten Frauen werden „Co-Leiterinnen“ gesucht, die die Malarbeit unterstützen, evtl. dolmetschen etc. („etwas geben“)

Abendprogramme für Erwachsene 
SFI Mitarbeiter sowie niedergelassene Therapeuten bieten zusammen mit Mitarbeitern des „Michaelis Dorfs“ Gruppen mit unterschiedlichen Themen an (z.B. zu Ernährungsfragen, Schlafproblemen, Wertesysteme, Erziehungsstile, Bildungssystem in Deutschland, Frauenrollen etc.). Dabei können verschiedene Hilfsmittel benutzt werden, wie Filme, Fotomaterialien etc. Es wird versucht, durch „Fortbildungsangebote“ Vertrauen zu schaffen, damit sich – im besten Falle- „Tür- und Angelgespräche“ bis hin zum Sprechen über Gewalt und/oder Prostitution, entwickeln können.

Getrennt voneinander stattfindende Jugendtreffs für Mädchen und Jungen
Hierbei handelt es sich um freizeitorientierte Treffen, die insbesondere auf die geschlechterspezifische Interessenlage der Jugendlichen eingehen sollen. Zusätzliche Angebote können je nachdem auch für besonders belastete Jugendliche bereitgestellt werden. Neben Studierenden der Universität Frankfurt und einem Mitarbeiter des SFI werden auch geeignete Väter und Mütter im Dorf gesucht, die bei der Gestaltung der Angebote helfen.

Abklärungen und Kriseninterventionen für traumatisierte Flüchtlinge im Rahmen der medizinischen Versorgung. Therapeutische/Psychosomatische Sprechstunde
Medizinische/zahnärztliche Sprechstunden sowie die Beratungszeiten der Pro Familia werden durch (niedrigschwellige) therapeutische/psychosomatische Sprechstunden ergänzt.
Mitarbeiter des SFI oder des Robert Bosch Krankenhauses bieten eine zweistündige Sprechstunde pro Woche an,  als  Ergänzung zu den bereits   bestehenden Beratungsangeboten von Pro Familia.

Kindergruppen und Gestaltung von „Child friendly Spaces“ 
Die Angebote für Kinder zwischen 5 und 12 Jahren orientieren sich an den international erprobten Leitlinien zur Gestaltung und Etablierung so genannter “Child Friendly Spaces (CFS)” und verschränken diese mit den Prinzipien der sozialpädagogischen Kinder- und
Jugendarbeit und der langen Tradition der aufsuchenden Sozialarbeit. Kinder haben ein „Recht auf den heutigen Tag“ und benötigen von Anfang an anregende Angebote, zugewandte Erwachsene und sichere Räume. Die Angebote orientieren sich erstens an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder (Partizipation), zweitens sind sie integrierend und drittens bieten sie vielfältige Lerngelegenheiten.

Supervision für das Betreuerteam in „Michaelis Dorf“
Die konkrete Arbeit mit den Flüchtlingen, sowie die sich ständig ändernde institutionelle Situation, bringt die Sozialbetreuung an die persönlichen Belastungsgrenzen. Wöchentliche Supervision für das gesamte Team erweist sich als ausgesprochen hilfreich, einmal um der drohenden Überforderung entgegenzuwirken und zum zweiten, um den professionellen Informationsfluss zu verbessern.


WISSENSCHAFTLICHE BEGLEITUNG

Das Pilotprojekt wird wissenschaftlich begleitet. Dabei geht es auch um die Frage, wie sich die Struktur und die Angebote in andere Einrichtungen übertragen lassen. Die wissenschaftliche Begleitung orientiert sich an dem Vorgehen einer formativen Evaluation. Zentral sind die genaue Dokumentation der Maßnahmen, ihrer Nutzung und „Wirkung“.  Im Sommer wird ein erster Zwischenbericht vorgelegt und Ende des Jahres der Abschlussbericht.
Die wissenschaftliche Begleitung fokussiert u.a.:
•    Akzeptanz der Angebote bei den Geflüchteten
•    Stärkung der Selbstinitiativen (Empowerment)
•    Begegnung der Kulturen und Konfrontation mit Realitäten in Deutschland
•    Entwicklungsprozesse unterstützen und im Sinne von „FIRST STEPS“ einleiten
•    Etablierung der Vernetzung aller Akteure (Hauptamtliche und Ehrenamtliche usw.)
•    Reflexion professioneller Strategien im STEP-BY-STEP Projekt
•    Psychosoziales Wohlbefinden der Kinder im „Hier und Jetzt“
•    Gestaltung geschützter Räume und Einbeziehung der Kinder
•    Evaluation der Angebote entlang der Kriterien sicher, anregend, unterstützend, lernfördernd und partizipativ
•    Befähigung der verantwortlichen Erwachsenen und Sensibilisierung