Henri Parens (1928-2022) war ein weltbekannter Kinderpsychiater und Kinderpsychoanalytiker, Professor für Psychiatrie am Jefferson Medical College sowie Ausbildungsanalytiker am Psychoanalytic Center in Philadelphia. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und wurde vielfach für seine Arbeit ausgezeichnet, unter anderem in 2019 mit dem renommierten Mary Sigourney Award für herausragende psychoanalytische Arbeiten.
Im Alter von zwölf Jahren floh er mit seiner Mutter aus Belgien nach Frankreich, wo er gemeinsam mit ihr in das Konzentrationslager Rivesaltes geriet. Kurze Zeit später gelang ihm – wie er vermutete von seiner Mutter veranlasst – mit einem der letzten Kindertransporte die Flucht in die USA. Seine restliche Familie hingegen überlebte den Holocaust nicht. Auch aufgrund seiner frühen Erfahrungen mit dem Holocaust als ein Child-Survivor, mit dem zweiten Weltkrieg, mit Antisemitismus, Verlust und Trennung, aber auch seiner Erfahrungen mit ihn unterstützenden Menschen entschied er sich, Kinderanalytiker zu werden. Seitdem widmete er sich den psychosozialen Bedingungen der frühen Kindheit und ging der Frage nach, wie man sie so verändert, dass destruktiv-aggressive Tendenzen bereits im frühen Kindesalter möglichst eingedämmt werden können. Aus dem von ihm initiierten Early Child Development Program, das mit einer Studie begann, in der 16 Mutter-Kind-Paare über 37 Jahre lang intensiv beobachtet wurden, entstand u.a. ein Textbook/Curriculum zur frühkindlichen Entwicklung. Dies fand in diversen Praxis- und Forschungszusammenhängen Verwendung: „Parenting for Emotional Growth“ (erwähnt sei hier auch sein Buch „The Development of Aggression in Early Childhood“). Ein zentrales Anliegen war ihm, wie Menschen sich trotz widriger Umstände ihre Menschlichkeit bewahren können. So bestimmte das Thema Frühprävention und die konstruktive Vermeidung kriegerischer Auseinandersetzungen sein Denken. Damit ist sein Anliegen nun tragischerweise aktueller denn je.
Seine reichhaltigen empirischen Erfahrungen und theoretischen Überlegungen ließ er auch dem Sigmund-Freud-Institut, als einer der Projektconsultants insbesondere für die Konzeption des Frühpräventionsprojekts „Erste Schritte“ für Kinder mit Migrationshintergrund, zugutekommen. Über Jahre war er dem Sigmund-Freud-Institut in diversen Kontexten als Berater und Mentor verbunden. So ließ er u.a. auch auf mehreren von SFI ausgerichteten Joseph Sandler Research Conferences an seinem reichhaltigen Wissen teilhaben. Für seine Unterstützung möchten wir Henri Parens unsere große Anerkennung und unseren tiefen Dank aussprechen.
Parens‘ Autobiografie schließlich („Heilen nach dem Holocaust. Erinnerungen eines Psychoanalytikers“), die er, weil dies zuvor zu schmerzlich für ihn war, erst in späteren Lebensjahren verfasste, ist nicht nur ein zutiefst persönlicher Zeitzeugenbericht, sondern auch ein Plädoyer gegen Diskriminierung jeglicher Art, gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Gewalt.
Wir werden ihn stets in besonderer Erinnerung behalten.
Die Mitarbeitenden des Sigmund Freud Instituts