Nachruf

Prof. Dr. phil. Dr. rer. pol. Rolf Haubl
(01.07.1951 – 24.05.2025)

Am 24. Mai 2025 starb Prof. Dr. Dr. Rolf Haubl nach langer, schwerer Krankheit. Er leitete vom 01. Dezember 2002 bis zum 29. Februar 2016 als Co-Direktor gemeinsam mit Prof. Dr. Marianne Leuzinger-Bohleber das Sigmund-Freud-Institut (SFI) und war dort zugleich Leiter des sozialpsychologischen Forschungsbereichs. Während dieser Zeit als Direktor des SFI hatte Rolf Haubl die Professur für Soziologie und psychoanalytische Sozialpsychologie am Institut für Soziologie des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften an der Goethe-Universität inne.

Mit dieser Kooperationsprofessur zwischen der Goethe-Universität und dem Sigmund-Freud-Institut hatte er, nach etlichen Jahren der Vakanz, die Nachfolge von Alfred Lorenzer angetreten. Danach verlieh er der Vermittlung von Sozialwissenschaften und Psychoanalyse sowie der tiefenhermeneutischen Forschungsperspektive eine eigene Prägung.

Rolf Haubl verortete sich in der Frankfurter Tradition einer Verbindung von Soziologie und psychoanalytisch-sozialpsychologischer Forschung. Er verfolgte eine kritische Theorie des Subjekts, wie sie auch schon Klaus Horn am Sigmund-Freud-Institut mit etabliert hatte. In den Jahren seines Wirkens an der Goethe-Universität und am Institut hat er sich auch darum verdient gemacht, die psychoanalytisch-sozialpsychologische Forschung um gruppen- und organisationsanalytische Perspektiven zu erweitern. In der Gruppenanalyse war er als Lehranalytiker und Supervisor sowie als Organisationsberater tätig. Überdies gab er die Zeitschriften »psychosozial«, »Freie Assoziation« und »Zeitschrift für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik« mit heraus und fungierte als wissenschaftlicher Beirat weiterer Fachzeitschriften, etwa in den Bereichen Organisationsforschung, Supervision und Coaching.

Rolf Haubl hatte zunächst als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes Psychologie und Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen studiert und in beiden Fächern promoviert. Danach lehrte und forschte er an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg, ab 1981 als Akademischer Rat. 1991 habilitierte er im Fach Psychologie an der Universität Augsburg zum Thema »›Unter lauter Spiegelbildern …‹. Zur Kulturgeschichte des Spiegels« und wurde 1997 zum außerplanmäßigen Professor für Psychologie ernannt. Er verantwortete dort über viele Jahre den Studiengang Sozioökonomie.

Während seiner Augsburger Zeit bearbeitete er Themenbereiche, an die er auch später, teils implizit, teils direkt, anknüpfte. Er befasste sich beispielsweise mit der Sozial- und Kulturgeschichte der Konsumgesellschaft, mit der kommunikativen Bedeutung von Objekten der materiellen Kultur, mit der Psychodynamik von Geld und Besitz, mit Überschuldungsdynamik und Schuldnerberatung sowie mit der Mikropolitik in Organisationen. Methodologisch interessierte er sich neben gesprächsanalytischen Verfahren für die Bildhermeneutik.

Nachdem er den Ruf nach Frankfurt angenommen hatte, rückten sozialisationstheoretische Forschungen sowie Studien zur kulturellen und psychischen Bedeutung der Affekte – insbesondere des Neides –, aber auch Arbeiten zu Konzepten der Symbol- und Medientheorie, zur Gruppensoziologie und Ich-Identität sowie zu Prozessdynamiken eskalierender Gruppenkonflikte in den Vordergrund.

Rolf Haubl leitete zahlreiche Forschungsprojekte, aus denen eine Vielzahl von Publikationen hervorging. Von 2014 bis 2015 war er außerdem an der Entwicklung des Masterstudiengangs »Psychodynamisch fundierte Organisationsentwicklung« an der IPU Berlin beteiligt, der heute unter dem Namen »Leadership und Beratung« läuft.

Seine zahlreichen und facettenreichen Publikationen verweisen auf die enorme intellektuelle Breite und beeindruckende Vielseitigkeit, die Rolf Haubl ausgezeichnet haben. Innerhalb seiner Schwerpunktthemen richtete er seine Aufmerksamkeit insbesondere auf die Leiden produzierenden Potenziale ungleicher und ungerechter Verhältnisse sowie auf die Frage, wie gesellschaftliche Strukturen psychisch wirksam werden können. Mit dieser Grundorientierung verfolgte Rolf Haubl sowohl empirische Studien als auch grundlegende konzeptionelle Fragen mit großer Leidenschaft. Implizit knüpfte er dabei immer wieder an sein literaturwissenschaftliches Studium an, da er sich nicht nur für die Sprachgestalt der sozialen Praxis, sondern auch für Alltags- und Kunstformen der Narration, für Kunstwerke und mediale Darstellungen interessierte. Nicht zuletzt ging es ihm um eine möglichst lebensnahe Vermittlung an Studierende, weshalb er sich in der Lehre besonders intensiv engagierte. Bei der Leitung des Sigmund-Freud-Instituts wiederum hatte er es mit etlichen Herausforderungen und Umgestaltungen zu tun, nicht zuletzt auch mit der Sanierung des Institutsgebäudes. Die Neueröffnung nach dem Umzug wurde 2015, im 50-jährigen Jubiläumsjahr des Instituts, noch in der Endphase seiner Amtszeit feierlich in der Myliusstraße 20 begangen.

Mit seinen interdisziplinär ausgerichteten Forschungsansätzen und seinem unermüdlichen Arbeitsethos hat Rolf Haubl nicht nur wesentliche Erkenntnisse in unterschiedlichen wissenschaftlichen Feldern vorangetrieben, sondern auch weit über den universitären Kontext hinaus gewirkt und durchgängig Transferwege zwischen Forschung und Praxis erarbeitet. Er war überdies ein freundlicher und äußerst hilfsbereiter Förderer junger Wissenschaftler:innen.

Das Direktorium und die Mitglieder des Sigmund-Freud-Instituts und der Fachbereich Gesellschaftswissenschaften trauern um einen außergewöhnlichen Forscher und Hochschullehrer.

Prof. Dr. Vera King, Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität und Geschäftsführende Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts

Prof. Dr. Ferdinand Sutterlüty, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Soziologie, Goethe-Universität Frankfurt am Main